Die Deutsch-Ukrainische Gesellschaft – Für unsere und eure Freiheit e.V. (DUG) verurteilt das Vorgehen der ukrainischen Regierung und des Parlaments entschieden, mit Durchsuchungen und Gesetzesinitiativen gegen die unabhängigen Antikorruptionsbehörden vorzugehen.
Diese Rückschritte untergraben nicht nur die bislang erfolgreiche Korruptionsbekämpfung auf hoher politischer Ebene und damit die demokratischen Errungenschaften der Revolution der Würde von 2013-2014, sondern stellen auch ein ernstzunehmendes Hindernis für einen EU-Beitritt der Ukraine dar. Sie widersprechen damit der ukrainischen Verfassung, in der die europäische Integration als politisches Ziel verankert ist. Dieses Vorgehen richtet sich unmittelbar gegen die ukrainische Zivilgesellschaft – also gegen die wichtigste Unterstützung der ukrainischen Verteidigungskräfte. Ein Verlust dieses zivilen Rückhalts hätte unmittelbare Folgen für den militärischen Erfolg der Ukraine – und für die Sicherheit ganz Europas.
Als DUG schließen wir uns den Forderungen der ukrainischen Zivilgesellschaft sowie zahlreicher Expert:innen an:
- Die Unabhängigkeit der Antikorruptionsermittlungsbehörden – des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU) und der Speziellen Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAPO) – muss wiederhergestellt werden.
- Der Druck auf die ukrainische Regierung muss aufrechterhalten und verstärkt werden – hier wünschen wir uns eine aktive Rolle der deutschen Bundesregierung und vor allem von Bundeskanzler Merz. Auch und gerade in Kriegszeiten müssen Korruptionsbekämpfung und Stabilisierung von Rechtsstaat und Demokratie auf der Agenda bleiben. Dieser Druck auf die ukrainische Regierung hilft den Menschen in der Ukraine.
- Der Wegfall der US-Fördermittel für Programme zur Unterstützung von Antikorruptionsinitiativen und der Demokratieförderung insgesamt muss schnellstmöglich kompensiert werden. Deutschland ist in der Lage, finanzielle Unterstützung für wichtige Initiativen zu leisten. Demokratie und Verteidigung dürfen nicht voneinander getrennt werden.
- Trotz dieses Vorgehens der ukrainischen Führung gegen die Unabhängigkeit der Antikorruptionsbehörden muss die militärische Unterstützung weiterhin verstärkt werden. Die Ukraine muss in die Lage versetzt werden, die russische Invasion abzuwehren und ihr Staatsgebiet vollständig zu befreien.
Zum Kontext:
Seit 2015 hat die Ukraine auf gesellschaftlichen Druck hin eine politisch unabhängige und wirkungsvolle Antikorruptionsinfrastruktur aufgebaut. Diese wurde international als erfolgreich anerkannt und gilt als Vorbild für weitere Reformen (z.B. EU Ukraine Report 2024, OECD Ukraine Integrity Review 2025). Während die Nationale Agentur für Korruptionsprävention (NAPC) für die Ausarbeitung der Antikorruptionspolitik und der entsprechenden Gesetzgebung zuständig ist, ermitteln das Nationale Antikorruptionsbüro (NABU) und die Spezialisierte Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAPO) Korruptionsfälle auf höchster politischer Ebene. Das Hohe Antikorruptionsgericht (HACC) urteilt über die von NABU und SAPO eingebrachten Fälle.
Das ukrainische Parlament hat am 22. Juli 2025 den Gesetzentwurf 12414 im Schnelldurchlauf verabschiedet, der die politische Unabhängigkeit der Ermittlungen zu hochrangiger Korruption in der Ukraine schwächt. In einem ungewöhnlich schnellen Verfahren – von der Gesetzesänderung über die Parlamentsabstimmung bis zur Unterzeichnung durch den Präsidenten – wurden dem NABU und der SAPO zentrale Befugnisse entzogen. Sie wurden dem Generalstaatsanwalt unterstellt und haben faktisch ihre Unabhängigkeit verloren.Während die Leiter von NABU und SAPO in einem wettbewerbsorientierten Verfahren ernannt werden – eine der hart erkämpften Errungenschaften der Revolution der Würde von 2014 –, bleibt der Generalstaatsanwalt weiterhin ein nicht reformiertes, politisch besetztes Amt.
Am Vortag führten der ukrainische Inlandsgeheimdienst (SBU) und das Staatliche Ermittlungsbüro (DBR) 70 Razzien bei NABU- und SAPO Mitarbeitern durch. Dabei wurde ein regionaler NABU‑Direktor festgenommen, und 15 Ermittler gerieten ebenfalls ins Visier. Nach Angaben des NABU erfolgte der Großteil dieser Durchsuchungen ohne Gerichtsbeschluss.
Diese Entwicklungen ereignen sich nur wenige Tage nach der Entscheidung der Regierung, den Gewinner des Auswahlverfahrens für das Büro für Wirtschaftssicherheit nicht zu ernennen – und vor dem Hintergrund der jüngsten Anklagen gegen Vitalii Shabunin, die weithin, auch von uns, als politisch motiviert bewertet werden.
Wir beobachten diese Entwicklungen mit wachsender Sorge. Die Ukrainerinnen und Ukrainer kämpfen für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit – das verpflichtet dazu, diese Prinzipien auch im Innern zu wahren und die begonnenen Reformen der letzten 11 Jahre konsequent fortzuführen. Dafür – und für die umfassende Unterstützung der Ukraine auf allen Ebenen – engagieren wir uns weiterhin.
Bei Presseanfragen stehen Ihnen unsere Präsidentin Ljudmyla Melnyk und unser Vorstandsmitglied Mattia Nelles zur Verfügung.
Ljudmyla Melnyk
Co-Präsidentin der DUG
E-Mail: ljudmyla.melnyk@deutsch-ukrainische-gesellschaft.de
Mattia Nelles
Vorstandsmitglied der DUG